Es war Grau und die Stille nicht wert
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Deine Moleküle sind tausende von Jahren alt.
Hinter deinen Augenlidern liegen deine Augenringe, Flecken, hochgewandert, möglicherweise auch nur wieder Libellenhaut, eventuell aber doch die Manifestation des Problems, dass du deine Augen nie ganz, komplett, vollkommen schließen kannst. Dass du immer mindestens dein Blut, deine Haut, eine Schicht sehen kannst, dass du nie ganz in Schwarz bist, vielleicht doch nur 256 Varianten Grau und Rot.
Dann lachst du, ich bestarre meine Haut im Spiegel, sehe die Spuren von Sonne, Melaninüberproduktion, kleinen Viren, sehe Narben, die zu Falten wurden, aus der Mitte entspringt ein Fluß, niemand weiß das besser als du und ich und ich sehe die Formen abgebildet in meinem Gesicht. Das ist fast besser als die Naturaufnahmen der BBC Dokumentationen, Vulkankrater finden sich auf den Wangen und der Stirn, flußdeltaartige Verästelungen um die Augen, von Lava hinterlassene Schluchten in Bergen finden sich in den Mundwinkeln wieder. Dazwischen der Marianengraben.
Einmal Luft schlucken, dann wird sie Teil des Körpers, an jedem Ort mindestens einen Mund voll unsichtbare Umgebung essen, möglicherweise kommt dann doch alles an in den Augen, frisst von innen, nicht von außen.
Du hängst an der Haltestelle des Zuges als würdest du dich festkrallen mit den Klauen eines Faultieres, würdest hängen und nicht stehen, mehr Erläuterung bedarf es nicht. In den Bussen stehst du dann, eingekeilt, zwischen den einzelnen Etagen, damit du deinen Hals nicht beugen musst. Da drüben hängen Bilder ihrer Kinder an den Satellitenschüsseln, mindestens zehn pro Stockwerk, meist mehr, mittlerweile alternierend mit Bildern von Sonnenblumen, der eine neidet, der andere fotografiert. Ich frage mich, wer sie, wer wir sind, dass wir uns über sie stellen.
Der eine oder andere Körper hält eine alte Seele fest, versteinerte Traumata oder fehlende Spiegelung und dann biegt die erste U-Bahn auf die Schienen des Viaduktes und lehnt sich ein wenig in die Kurve. Es quietscht und rumpelt, als wären Murmeln in deinem Brustkorb; du siehst dieselbe Silhouette an Häusern und weißt darum und fühlst nichts und manchmal noch hasse ich dich dafür.
„Es ist doch eigentlich alles ganz einfach,“ sage ich ihm, „jedes menschliche Lebewesen strebt nach Liebe, in welcher Form auch immer: Zuwendung, romantische Liebe, Anerkennung, Gespiegelt-werden, Gesehen-werden, Wertschätzung. Und dann kommt der ganze andere merkwürdige Mist.“ Während ich das Rapsfeld-Landschaftsbild an der Wand gegenüber anstarre und es zurückstarrt, sagt er „und das Wort merkwürdig streichen wir aus Ihrem Wortschatz.“
Ich habe mir ein paar Fotos ausgedruckt, vier Varianten Überhang, einmal Mitte, mittig, man kann uns alle lachen sehen. Dann gehe ich in den Supermarkt um die Ecke, den, in dem ich die meisten Kassierer mit Namen kenne und sie sich immer noch darüber wundern, dass man so viele Payback-Punkte in einer Lebenszeit gesammelt haben kann, wie sie dann zueinander raunen und ich ihnen sage, dass das nur geht im Familienverbund. Sie haben mir nicht einmal wirklich zugehört. Dann den Einkauf von der Ablage in den Beutel an die linke Hand in die Ellenbogenbeuge hieven, Schritte nach Hause, Ampelschaltung voller Widersprüche.
Deine Pupillen sind unterschiedlich groß und das Grün in ihnen unterschiedlich tief. Sobald Licht darauf fällt, läufst du schnell, schneller als dich deine Beine eigentlich tragen können. Antilopen-Beine, wilde Beine. Deine Angst ist keine Makulatur, sie ist die vernarbte Haut, von der du befürchtest, sie könnte bei jeder unüberlegten Bewegung wieder aufreißen. Du hast sie schlecht zusammengenäht.
lay off me, would you
I’m just trying to take this new skin for a spin
(Torres – New Skin)