the wake / hooray hooray

Untitled by smallcutsensations

Die Abwesenheit der Dinge

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Neben meinem Kopf die Küche, genauer: die Wand, noch genauer: irgendeine, auf jeden Fall keine, die zu mir gehört. Auf der anderen Seite eine Couch, dunkelbraun und unbequem, fremde Menschen und deren fremde Freunde daraufsitzend. Den Kopf nicht bewegen, darüber ein Wohnzimmer, präzise gesagt: ein noch unbekannteres, nie gesehenes. Eins, das aber, wenn man im Hausflur steht, nach Orangen riecht.
Still bleiben, nicht bewegen, es gibt im Hintergrund jemanden, der mit sich selbst spricht, fehlende Antworten, fehlender Dialog hallt durchs Haus. Im Vorbeigehen extrem langsames Entkleiden und unerwartet tief klingende Frauenstimmen, alte Ringe an jungen Fingern, die an Glasflaschen klappern, Erinnerungen an etwas schon längst vergangenes, so ähnlich unwirklich wie vergilbt-zerknitterte Zeitungsartikel, ausgeblichene Belege auf Thermopapier. Zersetzt von der Sonne, mehr gibt das Auge nicht her.
Die abgetretenen Stufen im Treppenhaus, der Versuch, aufzufüllen, was nicht mehr aufzufüllen, zu reparieren geht. Sogar die Sprache geht verloren, warten, bis Berührungen anfangen, wieder etwas zu bedeuten, warten, bis das digitale Selbst sich wieder auffrisst. Spaziergänger vorm Hauseingang, durch die Milchglasscheibe halb undeutlich zu sehen, Körpersprache klar, das Schieben eines Kinderwagens, zu viele Menschen, bald ist alles dunkel, ein Vergehen vorm unwirklichen Auge. Oder eher der übermächtigen Erinnerung?
Schlangenbeine, dünn, schlingen sich in der Luft um nicht vorhandene Baumstämme, schlackern jedoch im Nichts. Aufforderung zur Nahrungsaufnahme, oft gehört, nie befolgt. Auf der Straße vor dem Haus dann die Einsicht, man hätte mehr trinken sollen und weniger fluchen, genauer gesagt: mehr leben und weniger ableben im Überall, Nebenher und im Überflüssigen. Menschen mit Verband in der Ellenbogenbeuge, Blutflecken auf weißem Stoff, weißes Gesicht, weißes Hemd. Arme, die man kaum bewegen kann, Schmerzen im Körper, genauer: zwiebeln, brennen, Druck; der Versuch, alles wieder zu kitten, alles, was durch die Adern fließt als Eingeständnis.
Der Mann, der da vorne an der Ecke steht, der mit den grau-melierten Haaren, Anblick der Menschen um ihn herum, Erkenntnis, dass alles „Publikum“ ist, es zieht ihm der Wind durchs Haar und die Pomade, er schmunzelt über ein Straßenschild, will das nicht zugeben, räuspert sich konstant und sieht so aus, als schaue er aus dem Fenster, obwohl er mitten im Raum steht. Raum als Fluidum, der Abstand zwischen ihm und allem, umgefüllt, abgestanden, der Hilferuf, ein Gespräch, der Raum bleibt umgefüllt, das unbekannte Etwas; da pulsiert es wieder durch die Adern, brennt hier und da, lässt sich zerlegen in seine Bestandteile.
Der Mann, der so aussieht, als würde er aus dem Fenster sehen, ist spontan verschwunden, alles abgeflacht, abgestumpft. Die Straße herunter andere Menschen, genauer: andere, die sich kennen, sich nicht fremd sind, sich vielleicht vertrauen.
Kein Auffangen bei freiem Fall nach hinten, genauer: beim Loslassen, Hintenüberfallen. Fragen nach dem ob und wieso und dem überhaupt, das ins Antlitz schlägt, wenn der Körper alleine auf weiter Flur ist. ;an könnte sterben, könnte verschwinden, wird vom Raum aufrecht gehalten; der Versuch, sich nicht umkippen zu lassen, den Kopf voller Rätsel, ganz präzise gesagt: voller Worte.

Gelegentlich rezipiert der eine oder andere das eine oder andere Buch, verdaut Ideen, gibt sie weiter, sagt, er hat alles selbst erdacht, nichts, dass es noch nie gab, traurig, man wird nicht der erste, nicht der letzte sein, der in die Wissensfalle tappt; genauer: vorgekaut das Wissen dieser Welt, aufbereitet von irgendjemandem, zerstückelt von den Großen, zum Fraß vorgeworfen von denen, die es verteilen dürfen. Nichts ist echt, nichts ist wahr, man reibt sich nicht mehr die Haut wund an dem, was es in den Kopf zu bekommen gilt. Anders gesagt: man zählt nicht, man gilt nichts, man ist eine Zahl, auf die es nicht ankommt. Erübrigt sich irgendwann die Frage nach dem Sein?

Der Mann vom nicht vorhandenen Fenster auf der Straße steht jetzt, einige Meter entfernt, an der Grünfläche voller Hundekot, beziehungsweise: vor dem Auslauf für das Getier der Straße, überblickt von gelangweilten Gesichtern. Alte, schwerfällige Villen auf der anderen Seite, Zeugen irgendeiner vergangenen Zeit, man hätte mehr sein sollen und weniger reden, oder: mehr zuhören und bestimmter erinnern. Der Fußweg aus Beton an der Straße klebrig, an Kaugummi erinnernde Masse, festhängend bei näherer Betrachtung, im Hintergrund ein stets Klacken, Rollen, Dröhnen. Kopfsteinpflaster, abgesessene Sandsteinbänke, die Leere neben mir. Der Mann, der so aussieht, als würde er aus dem Fenster schauen, obwohl er auf der Straße steht, fährt sich durch die Pomade, er flackert gelegentlich im Licht, scheibchenweise, ganz so wie das unangenehme Geräusch bei einem MRT, warten, Licht, warten, Licht, der Mann schwindet zunehmend, bald ist er gar nicht mehr zu sehen.

Unter meinem Kopf die Dielen, genauer: der Boden, noch genauer: Wärme, die mein Körper vor einiger Zeit abgegeben hat. Anders: das Gewicht der Abwesenheit.

patching up my broken bones
filling jars with kidney stones
loosing weight, do you want to see
cancer taking a crack at me