until we’re strangers again

Untitled by smallcutsensations

auch interessant, dass es, wenn man sich um einen kümmert, es immer irgendeine art von negativer rückkopplung gibt. aus den augenwinkeln schaue ich aber auch bei anderen zu, mache mir sorgen, komme mir aber auch leicht merkwürdig vor, ständig nach- und zu hinterfragen. ich will einfach meine ruhe, du wahrscheinlich auch. nur möchte ich wirklich nicht, dass du unglücklich bist. dass du dann erst dich traust, dir hilfe zu suchen, wenn es schon wieder zu spät ist und du in etwas drin steckst, was für dich nicht gut ist. im allgemeinen ist es ziemlich still um dich geworden, aber vielleicht deute ich da wieder nur sachen in tatsachen hinein, die eigentlich gar nicht so schlimm sind. aber wenn es dir hilft und, ich glaube kaum, dass du das hier liest, auch wenn die chance dazu besteht, wenn ich schon die kraft aufbringen kann, mir hilfe zu suchen, kann ich dich gerne ein stück des weges mitziehen. oder einfach nur begleiten. weißt du, es gibt nämlich nicht viele leute, mit denen ich meine stille teilen kann.
aber ganz nebenbei gesagt: die wahrscheinlichkeit, dass ich abnehme, wenn jemand anruft, allgemein, dass ich die tür öffne, wenn es klingelt und ich nicht weiß, wer es ist, ich niemanden erwarte oder kein paket – die ist minimal.

I feel I must have felt a lot

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Letzte Nacht, dreiuhrvierundzwanzig.
Ich ziehe eine Fratze aus Tränen hinter mir her, eine, die ich noch nicht einmal dokumentieren mag. Ich ziehe und ziehe und manchmal schiebe ich auch, fast immer aber zerrt sie mich auf Augenhöhe – nach unten. Die Nuancen sind fließend zwischen aufgestauter Wut und Enttäuschung, gemäßigter Ernüchterung und unwirklicher Leere. In Gedanken schreibe ich Briefe an Freunde, die ich einmal hatte, an die, die die Fratze mich hat verletzen und nicht mehr sehen lassen. Momente, die wehtun, die einzig ungerade Zahl am Tisch, sonst überall Harmonie. Es ist wohl zu spät für Worte und ich könnte das auch verstehen, es gehören immer zwei Seiten dazu, ich bin schließlich die mit dem Problem. Ich weiß noch, wie ich B eine Ausgabe von „Nichts als Gespenster“ von Judith Hermann zum Geburtstag schenkte und auf die erste Seite nach dem Einband, dort, wo eigentlich ex libris zu finden sind, schrieb: Auf dass wir noch viele Gespenster miteinander teilen können. Fast zwei Jahre später ein Intermezzo-Treffen im Bus, sie hat gehört, wo ich arbeite, ich weiß nicht genau, was ihre Reaktion sein soll. Sie ist wieder in der gleichen Stadt wie ich, ich sage ihr, dass wir mal wieder etwas zusammen machen sollten, dass ich mich melde, ich tue es nie. Eine fremde Person, eine, die ich mal kannte, eine mit der mich im Jetzt nichts verbindet. Mich hat das Intermezzo sehr traurig gemacht, ob es ihr unangenehm war, weiß ich bis heute nicht, sie allerdings hat sich auch nie gemeldet; ich glaube, die Entfremdung gab es auf beiden Seiten. 
Sie reißen alles ab, was mich mal mit meinem alten Freundeskreis verbunden hat, der Proberaum der Band, eine alte Garage, existiert nicht mehr, auf dem Platz wo sie stand, gibt es jetzt eine Discounterfiliale. Plattgewalzt, wie das, wofür der Ort für mich mal stand. F und M und S, all das war einmal, auch sie kenne ich kaum, F lebt sein Leben in einem anderen Land. Als er über das neue Jahr hier war, war man auch nicht interessant genug, eigentlich ist man es nie. Wer kann es ihnen auch verdenken.
Filme von und mit Menschen, die einsam sind, die schnurrende Katze auf deren Arm, im Hintergrund nichts als ein Rauschen. Selbstisolation scheint das einzig Richtige zu sein, da kann man niemanden verlieren, da kann man nichts machen, was andere einem vorhalten können, da muss man sich nicht für seine Fratze schämen.
Es verzerrt mir sogar die Finger, macht mir den Atem kurz, das Kissen salzig und die Bettdecke kalt. Neben mir ein eisiger Wind, ich liege Seite an Seite mit ihm, er fasst mir konstant an die Schulterblätter, meine Lippen brennen; mir ist nicht heiß, ich ersticke nur.
Und wenn das alles immer und immer wieder kommt? Wenn soetwas vererbbar ist? Wenn man all dem letztlich doch nicht entfliehen kann? Lebenslange Embryonalstellung im Schlaf, ich mache mich klein, so klein, bis mich niemand mehr sehen kann. Als hätte man das schon geahnt. Ich will hier nicht sein, muss wieder an das denken, was die Auswerterin gesagt hatte, ich finde aber keinen Platz, „Kein Ort. Nirgends“. Ich kann auch nicht stark für andere sein, wie auch, wenn ich es noch nichtmal für mich selber sein kann. Dann denke ich an Ödön von Horváth und dessen Tod. „Jugend ohne Gott“, eine Verfilmung steht im Raum, am Tag der Gespräche wird Horváth mit 37 Jahren in Paris von einem Ast erschlagen. Ich warte darauf, dass aus dem dritten Stock ein Blumentopf auf mich fällt, wenn ich auf Arbeit gehe.
Und dann wieder: ich fühle nichts. Rein gar nichts. Wieso hat man mich in diese Welt geboren, wenn ich gar nicht hier sein will?
Kurzum; Ich glaube nicht, dass ich so glücklich sein kann wie andere Menschen. Daran wird auch eine Therapie nichts ändern.

Deine Beine tragen dich nicht wie sie sollten
So oft gehen die, die noch nicht weggehen wollten
Und ich weiß, ich weiß, und ich ertrage es nicht

setting fire to our insides, for fun

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auf dem weg zur hohen straße bin ich im treppenhaus der frau mit den kleinen kindern begegnet, die über uns wohnt, also schräg über uns. sie hat sich scheinbar gefreut, mich mal wieder zu sehen, war äußerst freundlich, hat mich gefragt, ob es mir gut gehe, man habe sich schließlich so lange nicht gesehen. ich habe ihr geglaubt, was sie gesagt hat, wie sie mich angelächelt hat. ich musste allerdings schnell zur bahn, sagte nur, dass ich mich freue, dass der winter nicht so hart sei und dass ich ihr einen schönen tag wünsche. dann ging ich weiter.
gelegentlich sehe ich mir biografien von schriftstellern an, lese mich durch auszüge von leben, die manche freiwillig ins netz stellen. ich bin nichts besonderes. nach den paar monaten in einem von mir heiß und innig geliebten woanders und bald vier jahren, die seit meiner rückkehr vergangen sind, merkt man das ganz deutlich. die angst, dass das alles doch nur eine episode war, die von mir erträumt wurde. die auswerterin meinte sie möchten eigentlich gar nicht hier sein, und sind doch gerade an diese stadt gebunden, es geht darum, wo sie hingehören, wo eigentlich ihr platz ist und ich habe genickt. überhaupt habe ich viel genickt, auch, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte. ob die praktikantin, die mit im raum saß, sich auch meine körpersprache angesehen hat?
danach bin ich in richtung hauptbahnhof gelaufen, vorbei an der plattenbausiedlung, die eher an silos für menschen erinnert, und direkt gegenüber der agentur für arbeit platziert ist. meine kamera verstört scheinbar die leute, habe wieder angefangen, für die hauswipfel serie zu fotografieren, da wird man angeschrien aus dem erdgeschoss, aber mein eigentliches interesse liegt zehn stockwerke darüber.

it’s just irrelevant
it’s just medicine

in the shape of things to come; too much poison come undone

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ich glaube, die hohe straße kann eine gute straße werden. schon jetzt finde ich sie schön; die kirchenruine an der kreuzung, auf die man eine art begehbares dach gesetzt hat, und die man dadurch hilflos entstellt hat. an der einen ecke gab es sogar vielleicht mal einen kreuzgang; mich erinnert das in miniaturdosis an den kreuzgang des friedhofs in löbtau. ja, die hohe straße kann eine gute straße werden; wenn es dann langsam wieder in richtung sommer geht, ist das alles bestimmt schön grün: die allee, vorgärten, selbst der garten, auf den man aus dem wartezimmer heraus schauen kann. leben und sterben liegen direkt vor der tür. in zwei bis sechs wochen beginnt meine therapie. diagnose depression und sozialphobie.

schon auf dem weg dahin: dort, wo sonst nie flaggen hängen, wehen sie heute auf halbmast, ein mahnmal für alle; auf dem rechten auge hat man in diesem land einfach nicht blind zu sein, egal wie wichtig oder unwichtig der stuhl ist, auf dem man sitzt.

like the naked leads the blind
I know I’m selfish, I’m unkind
sucker love I always find
someone to bruise and leave behind
all alone in space and time
there’s nothing here but what’s here is mine

most harm is done while people are awake

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tocotronics 17 im hintergrund, überall moll in meinem leben, kopfschmerzen, die sich durch meinen schädel fressen, die feststellung, dass das hier nicht mehr als ein ich war hier ist, noch nicht einmal zwingend ein tagebuch, denn in tagebüchern haben fremde augen nichts zu lesen, es sei denn, man ist schon tot. und auch wenn ich oft daran denke, sterben wollte ich in nächster zeit nicht. es gibt da ein ins mark treffende buch von ann heberlein, es nennt sich jag vill inte dö, jag vill bara inte leva (ich will nicht sterben, ich will einfach nur nicht leben) und sein titel trifft es ziemlich genau. so mit allem.
die villa der ambulanz ist groß und renoviert und riecht nicht nach arzt oder krankenhaus oder staub, im garten, auf den man vom wartezimmer aus schauen kann, rotten sich die krähen zusammen, während die sonne auf die beine strahlt; die dielen knarzen, ähnlich merkwürdig wie in meiner wohnung. ich werde im wartezimmer abgeholt, wir gehen in den keller, die zierliche frau vor mir sagt, dass ich mir keine sorgen machen brauche, die eigentliche therapie werde nicht im keller stattfinden, sie liest meinen Namen vor, jemand hat ihn so geschrieben, dass er wie grünolo aussieht, ich erzähle die dann  von der angebrachten und üblichen ob-problematik. ich bekomme fragen gestellt, das also ist ein diagnostiktermin, ich fühle mich wieder, als hätte mich ein laster überfahren. ich versuche, nicht daran zu denken, ob die diagnostikerin meine therapeutin wird und versuche, meine antworten nicht zu ausführlich zu geben; zwischen den fragen lachen wir beide manchmal, so, als wäre ich wirklich lustig, ich frage mich, ob das eigentlich gehen kann. dann kommen wir zu den fragen, die wehtun, aber die meine stimme nur leicht brechen lassen. ich bin gefasster, als ich dachte. im hintergrund schneidet ein gerät das gesagte mit und zeichnet uns auf video auf. in zwei wochen dann die auswertung, eine halbe stunde, dann vielleicht die warteliste. dann also wieder warten. ich weiß nicht genau, ob ich mich jemals irgendwann komplett gesund schimpfen kann oder ob es lediglich eine umgewichtung meiner probleme gibt, vielleicht ist das aber auch nicht so wichtig und ich schaffe es doch nicht. und dann all die anderen, man erkennt sich doch irgendwo. an der tiefe, mit der sich die sprache in die haut bohrt, der wortwahl, der stimmung. wie viele künstler sind eigentlich depressiv? und wie kommt es, dass ich nach dem gespräch das gefühl habe, eventuell auch eine sozialphobie zu haben? sachen, über die man sich nie so wirklich gedanken gemacht hat, alle fein mit dem, was man glaubt, an problemen zu haben, verwebt. aha, ein problemteppich ist das also, was in meinem kopf haust. diesmal aber ein gewichtiger unterschied: ich werde wirklich ernstgenommen.
an einem Weihnachtsabend, an dem niemand mich rief
kam ein Freund in mein Zimmer, in dem ich schon schlief
er nahm meine Hand, er war mir bekannt
seine Stimme war naturgemäß tief
in den Bäumen und Sträuchern regt sich ein Windhauch
und bläst in mein Ohr
heute bin ich glücklich
wie niemals zuvor

there is nothing here but what is here is mine

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mein kopf eine lebende wetterstation, morgens migräne, tagsüber nur kopfweh und schwindel, abends migräne. sie gehen alle irgendwo hin, kommen irgendwo an, ich schwimme nur durch sie hindurch, als gäbe es mich gar nicht. die idee einer richtung, in die ich will, habe ich vergessen. stehe im konsum, sehe die menschen, die sich durch die regale schieben, undercut, parka, blonde haare, ich glaube, ich habe dich irgendwo schon einmal gesehen, entfernte musterung von der kasse gegenüber. erinnere mich nicht mehr genau an den mann in der bahn von vor einer woche, impressionen verschwommen im dickicht meines inneren schwarzen lochs, nur das bild von händen, die unter die oberschenkel gelegt sind, ist geblieben, braune schuhe, vier plastikflaschen mit wasser. das, was ich letzte woche tat, ist schon wieder so weit entfernt wie die glückliche zeit letzten märz. dann das bild einer alten freundin von mir vor augen, ein flashback, eine schlimme vermutung, für mich nicht einschätzbar, verwirrende szenen in der erinnerung, jahrelang verdrängt, fragen, die zurückbleiben – was zur hölle war das eigentlich?

after laughter comes tears
all good things come to an end
(The Robocop Kraus – After Laughter Comes Tears)

heavy heart

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manchmal habe ich das gefühl, dass die generationen vor mir mehr hunger auf leben hatten als ich. oder hatten sie mehr sehnsucht? ich weiß es nicht. oft kann ich durch einen spalt hindurch auf das schauen, was ich erfahren könnte. ein spalt, sehen für ein paar minuten, dann ist die tür wieder zu.

I keep my heart inside a box
outside of my body
so it doesn’t bother me at all
it doesn’t bother you
it doesn’t bother anyone
but me

forever ago

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da gibt es manche menschen, an die mich mittlerweile nicht mehr als eine digitale bekennung, dass man sich kennen könnte oder sich mal kannte, bindet. wenn überhaupt. neulich in einer caféteria ein bekannter rücken, bekanntes lachen, bekannte stimme. dann die erkenntnis, dass da sogar das bedürfnis fehlt, zu fragen, was die zeit so gemacht hat mit einem. früher war das ein gefühltes nachhausekommen, eine versicherung, dass man, egal, was passiert, existiert. aber die welt dreht sich weiter, zeit wartet auf niemanden.
menschen, die man wohl so sehr enttäuscht hat, dass man ihnen mittlerweile egal geworden ist; meine eigenen verfehlungen, da kann man nichts gut machen. bei manchen striezt und zwickt und juckt es in der seele, tut im herzen weh, weil man nicht vergessen werden wollte, bei manchen ist es die bestätigung einer haltung, die man schon jahrelang mit sich herumtrug. wie sie innerlich you mean nothing to me anymore singen. dann trotzdem manchmal die frage, ob sie wohl in ausgewählten momenten auch mal an mich denken, alte einträge im kalender, der zufällige fund einer emailadresse; ich kann nicht aufhören über die beschwichtigungen nachzudenken, all meine baustellen und sie waren alle da hineingezogen, zu oft tut mir das leid, zu oft glaube ich, es war ihnen egal, dass die person, die sie kannten, nichts anderes als eine fassade war. vergleiche ziehen fällt leicht, wenn man nicht in den schuhen des anderen steckt.
oder aber die schmerzende erkenntnis: ein wir war nie hier.
someday, my pain will mark you
harness your blame
and walk through

this mess is mine

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„Ach es war der ganze Mensch, der sich nach den himmlischen Gütern des Lebens sehnte, die noch unbezeichnet und farbelos im tiefen weiten Dunkel des Herzens lagen und welche sich unter den einfallenden Sonnenstreifen flüchtig erleuchteten. Es gibt eine Zeit der Sehnsucht, wo ihr Gegenstand noch keinen Namen trägt und sie nur sich selber zu nennen vermag.“
(Jean Paul – Selberlebensbeschreibung)

die fragen in den fragebögen
wichtigkeit vs verwirklichung
meine vergangenheit in kurzen sätzen
und immer wieder 
der unbequeme kloß im hals
wie wird das erst in der therapie
und jetzt muss ich gehen;
neuntausendfünfhundert zeichen warten auf meine fingerspitzen


and you still think that no one cares